Blumig, voller animierender Vergleiche und Wortschöpfungen: Weinbeschreibungen sind manchmal besser als der Tropfen, den Sie dem Genießer näherbringen wollen. Kann man bei seinem Weinhändler an der Ecke noch vorher probieren und wird im Idealfall bestens beraten, sieht es im Online-Handel schon ganz anders aus. Hier schwanken die Texte zu den Weinen zwischen professioneller „Produktbeschreibung“ und fantasievoller „Gebrauchtwagenprosa“.
Das hängt manchmal von der mangelnden Fachkenntnis des Händlers ab, der sich nur mit schönmalerischen Gemeinplätzen behelfen kann, manchmal auch automatisch und damit unfreiwillig komisch übersetzt. Oder es liegt schlicht an der Durchschnittlichkeit des Naturprodukts, das weder über Charakter noch über benennbare Besonderheiten verfügt.
Doch wie kann sich der kaufwillige Weinfreund schützen? Denn trotz Rückgaberecht bleibt eine Weinsendung in Kartonagen in der Regel unhandlich und muss mit Aufwand bewegt werden. Deshalb ist es sinnvoll, den Unterschied zwischen besagten Gemeinplätzen und präziser Weinansprache zu kennen.
Aufschlussreich ist hierzu ein Blick in die Geschichte. Bereits die Antike kannte eine Sprache für Weinverkoster zur Beschreibung der Weinqualität. Klar, dass gerade Griechenland darin sehr weit war. Wir wissen, dass es damals etwa hundert Begriffe gab, die allerdings keinen allgemeingültigen Wortschatz darstellten. Deshalb blieben der Beurteilung viel Phantasie und Vorlieben des Einzelnen vorbehalten. Erst seit dem 18. Jahrhundert begann sich in Weinkreisen langsam eine angemessene Sprachkultur zu entwickeln.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurden an der Universität Bordeaux damals übliche Ausdrücke von Händlern und Weinproduzenten gesammelt und für Verkostungs-Regeln systematisiert. Dazu gehörten noch heute übliche Begriffe wie samtig, körperreich oder rund. Heute bietet das in den 1960er-Jahren geschrieben Standardwerk „Weine prüfen, kennen und genießen“ des englischen Autors Michael Broadbent rund eintausend verschiedene Begriffe, um jede Art von Wein zu beschreiben.
Dazu muss man wissen, dass sich die Weinansprache in drei Gruppen einteilen lässt: Die erst heißt „hedonistisch“ und bietet positive Begriffe wie unvergleichlich oder einfach nur lecker. Diese Art wird vernehmlich in Prospekten verwendet, ist aber objektiv unbrauchbar. Die zweite ist konkreter und nutzt Eigenschaftswörter wie blumig oder fruchtig. Aber auch hier ist noch viel Platz für individuelle Deutungen. Erst die exakte Beschreibung, die sich auf nachvollziehbare Gerüche und Geschmacksnoten wie Pfirsich, Gras, Gewürze oder Johannisbeere bezieht ist wirklich nützlich.
Um also Weinprosa im Internet zu verstehen, sollte man wissen, was man für Geschmacksvorlieben hat und nach solchen in den Beschreibungen suchen. Dann heißt es, sich bei einer genüsslichen Weinprobe mit Freunden Notizen zu machen und für sich selbst zu definieren, was ein frischer Wein mit knackiger Säure oder ein Muskelpaket mit starkem Tanningerüst ist.